Von menschlichen Schnittstellen und lebendiger Software
Auch im kleinen Team lässt sich Großes erreichen: 40 Beschäftigte arbeiten am Verfahren StundE (Stundung, Erlass und Aussetzung der Vollziehung), das bundesweit 50.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Finanzamt die Arbeit erleichtert. Die Erfolgsformel: ein kurzer Draht zwischen allen Beteiligten.

NILS EINERT
Co-Projektleiter des Verfahrens StundE
»Ein gutes Verfahren entsteht durch ein gutes Miteinander. Wir bei StundE leben daher den Spirit der offenen Tür und des offenen Ohres: Wir tauschen uns nahezu täglich aus, geben uns schnell Rückmeldung und sehen uns als starkes Team, das durch die enge Zusammenarbeit immer besser wird.«
Gut gelaunt und mit einem strahlenden Lächeln erscheint Nils Einert, Projektleiter des Verfahrens StundE, pünktlich im Videotermin für unser Gespräch. Man merkt ihm sofort an, dass er ein Meeting-Profi ist. »Von uns allen hier im Team habe ich bestimmt den Kalender mit den meisten Meetings«, sagt er und schmunzelt. Und damit sind wir mittendrin im Thema, was eine gute Zusammenarbeit und damit Verfahrenssoftware für die Finanzämter ausmacht: Kommunikation. Der Name StundE setzt sich zusammen aus Stundung und Erlass. Und nicht nur das E wird großgeschrieben, sondern auch das Prinzip Kommunikation. Denn erst eine gute Kommunikation ermöglicht eine gute Software. Im Team. Zwischen den Abteilungen. Mit den Endnutzerinnen und -nutzern.
Rund 50.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Finanzamt nutzen das StundE-Verfahren im Arbeitsalltag. Allein im Land Niedersachsen werden bis zu 40.000 Stundungsanträge pro Jahr mit StundE erfasst. Wenn eine Steuerzahlung zum Beispiel für die Einkommensteuer oder Umsatzsteuer aufgeschoben werden soll, kommt das Verfahren zum Einsatz (Stundung). Oder wenn eine Forderung, wie zum Beispiel ein Säumniszuschlag, erlassen wird (Erlass). Das Verfahren hilft, Arbeitsschritte effizienter zu machen. Adressdaten werden automatisch vom Steuerkonto übernommen, alle Eingaben werden von der Anwendung geprüft, sodass die Bearbeiterin oder der Bearbeiter durch die Antragsbearbeitung geführt wird. Ein wichtiger Meilenstein: die elektronische Bekanntgabe von externen Bescheiden und Schreiben an die Steuerpflichtigen, angeknüpft an die Plattform ELSTER. Damit ist die Finanzverwaltung dem papierlosen Büro einen großen Schritt näher.
Das StundE-Team sitzt im Landesamt für Steuern in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover. Auf einer Etage arbeiten die Fachbereiche Tür an Tür und können sich über den Flur schnell austauschen. »Ein gutes Verfahren entsteht durch ein gutes Miteinander. Wir bei StundE leben den Spirit der offenen Tür und des offenen Ohres«, erklärt Nils Einert. »Wir tauschen uns nahezu täglich aus, geben uns zu wichtigen Fragen schnell Rückmeldung und sehen uns als starkes Team, das durch die enge Zusammenarbeit immer besser wird.« Vom ersten Austausch morgens in der Kaffeeküche über das tägliche Meeting, bei dem alle wichtigen Aufgaben besprochen werden, bis hin zum regelmäßigen ausführlichen Workshop. Aus einer Fachgruppe, die die Interessen der Finanzämter vertritt, erhält das Team wiederum wertvolles Feedback für Verbesserungs-vorschläge. Derjenige, der dieses Feedback dann umsetzt, ist Marcus Köhler.
GUTE SOFTWARE LEBT VOM PERSPEKTIVWECHSEL
Mit StundE beschäftigt sich der Anwendungsentwickler, seitdem er 2018 in das Team gekommen ist. »In dem Verfahren steckt eine Menge Lebenszeit von mir«, sagt er. Noch sei es nicht so, dass er nachts vom Programmcode träume, aber morgens beim Aufstehen kämen ihm durchaus erste Ideen, wie man das eine oder andere verbessern kann. Die bespricht er dann mit dem Team im täglichen Meeting. »Wenn mir früher einer gesagt hätte, ich würde mal in der Finanzverwaltung arbeiten, hätte ich das nicht geglaubt – aber heute kann ich sagen, dass es ein mega spannendes Aufgabenfeld ist. Es gibt immer wieder Neues zu lernen und wir können unsere Ideen einbringen und uns weiterentwickeln.« Letztlich sind auch Menschen weitergebende Schnittstellen und »auch eine Software ist ein lebendiges Konstrukt, das vom Zusammenspiel zwischen Anwendungs- und Entwicklungsebene lebt«, sagt Marcus Köhler. »Und jedes Stück Software wird immer noch besser, wenn es im Team entwickelt wird.«
Das StundE-Team kümmert sich neben der Wartung der laufenden Software um die Entwicklung neuer Anforderungen sowie um Schnittstellen zu anderen Verfahren, wie zum Beispiel ELSTER. Hierfür ist die Zusammenarbeit mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der anderen Verfahren unumgänglich. Wichtige Schlagwörter in der Arbeit des Anwendungsentwicklers sind die Integration neuer Schnittstellen wie Microservices, Cloud-Technologien und Web-Technologien sowie die ständige Weiterentwicklung und Anpassung der Anwendung. Und dies alles, um die Automatisierung im Finanzamt, wie die medienbruchfreie Verarbeitung und die vollständige Digitalisierung der Geschäftsprozesse, voranzubringen. Immer nah dran an den Bedürfnissen der Bearbeiterinnen und Bearbeiter. »Gute Software lebt vom Perspektivwechsel. Egal, wie gut du einen Programmiercode schreibst, durch den Blick von außen, durch eine zweite Person, wird jeder Code noch besser.« Und für diesen Blick sorgt Marie Rohrbach, denn sie bringt die Wünsche aus der Praxis ein.

MARCUS KÖHLER
Anwendungsentwickler
»Auch eine Software ist ein lebendiges Konstrukt, das vom Zusammenspiel zwischen Anwendungs- und Entwicklungsebene lebt. Und jedes Stück Software wird immer noch besser, wenn es im Team entwickelt wird.«

MARIE ROHRBACH
Business-Analytikerin
»Bei StundE habe ich einen großen Gestaltungsspielraum. Neue Ideen werden wertgeschätzt. Hier sagt niemand: ›So haben wir das schon immer gemacht.‹ Und gleichzeitig kann ich von den Erfahrungen anderer Kolleginnen und Kollegen profitieren. Das gibt mir ein gutes Gefühl und Sicherheit.«
ÜBERSETZERIN IN DER FINANZVERWALTUNG
Würde die Tante oder Oma an der Kaffeetafel fragen, was Marie Rohrbach macht, würde sie sagen: »Ich arbeite quasi als ›Übersetzerin‹ in der Finanzverwaltung.« Das bedeutet: Die Business-Analytikerin übersetzt die Rückmeldung aus den Finanzämtern in die Weiterentwicklung der Bedienoberfläche, die Anpassung der Businesslogik und in die Anbindung an andere Verfahren. »Ich bereite es so auf, dass unsere Entwicklerinnen und Entwickler damit arbeiten können.« Dabei kommt ihr zugute, dass sie ihre Ausbildung im Finanzamt gemacht und dort sieben Jahre gearbeitet hat. »Ich kenne das tägliche Geschäft und weiß, was Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigen.«
Ein anschauliches Beispiel: die elektronische Bekanntgabe von StundE-Dokumenten an die Steuerpflichtigen, wie Stundungsbescheide, Gewährungsbescheide einer Aussetzung der Vollziehung oder Widerrufe eines Erlassbescheides. Marie Rohrbach analysiert hierfür, welche Dokumente infrage kommen, welche Texte umformuliert werden müssen und wie die Benutzeroberfläche angepasst werden kann, um Anwenderinnen und Anwendern die Statusinformationen anzuzeigen. Für solche Detailfragen setzt sie sich mit dem Entwicklungsteam zusammen, dann wird gemeinsam gegrübelt, getestet und getüftelt, welche Variante am besten funktioniert.
Als eine der jüngeren Kolleginnen fühlt sie sich wohl in dem gemischten Team, das aus älteren und jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie aus internen und externen Kräften besteht. »Bei StundE habe ich einen großen Gestaltungsspielraum und neue Ideen werden wertgeschätzt«, sagt sie. Hier komme niemand mit dem Totschlagargument: »So haben wir das schon immer gemacht.« Und gleichzeitig könne sie von der Erfahrung andrer profitieren. »Das gibt mir ein gutes Gefühl und Sicherheit.«
Die Stärke eines gemischten Teams ist der Mix aus verschiedenen Sichtweisen, dem Wissen der älteren Kolleginnen und Kollegen und der Innovationskraft der jüngeren und externen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die neue Ideen einbringen. »Jeder kennt es aus eigener Erfahrung: Allein kommt man nur schwer weiter. Erst eine andere Perspektive hilft uns auf die Sprünge, um zum Ziel zu kommen«, sagt Marie Rohrbach. Davon profitiert auch ihre Kollegin Josephine Krüger.
VIELFALT BRINGT MEHR IDEEN UND DAMIT VORTEILE
Die Kundenmanagerin sieht sich als menschliche Schnittstelle zwischen Finanzamt und StundE-Verfahren. »Das Feedback kommt über ganz unterschiedliche Wege: über täglich eingehende Kundenanfragen im Störungsportal, zudem gewinnen wir wertvolle Erkenntnisse aus unserer Qualitätssicherung und übertragen diese in Verbesserungen für die Software.«
Die Qualitätssicherung bildet einen wichtigen Bestandteil des Arbeitsalltags von Josephine Krüger. »Durch regelmäßige verfahrensinterne Produkttests gewinnen wir wertvolle Informationen, die wir nutzen, um die Software stetig zu verbessern.« Dafür setzt sie sich täglich mit dem Team zusammen und bespricht die Kundenanfragen. Können wir beim Problem selber direkt helfen? Oder ist eine längere Fachanalyse erforderlich? Auch hier spielt die Kommunikation teamübergreifend eine wichtige Rolle. So ergänzt sich beides gut: tägliche Meldungen über das Störungsportal und regelmäßige Qualitätssicherung über Produkttests, um gemeinsam Verbesserungen auf den Weg zu bringen.
POTENZIALE DER ENTWICKLUNGSSTANDORTE NUTZEN
Die vielfältigen Rückmeldungen aus den Produktionsstandorten und damit der Föderalismus gereicht dem StundE-Team nicht zum Nachteil. Im Gegenteil, findet Josephine Krüger, und ihr Projektleiter Nils Einert stimmt zu. Föderalismus bedeute Vielfalt. Und Vielfalt bringe mehr Perspektiven, mehr Ideen und »mehr Entwicklungsstandorte, an denen wir gutes Personal und Potenzial gewinnen können – damit gute Software entstehen kann«, so Nils Einert. »Und was wäre die Alternative? Dass jeder sein eigenes Süppchen kocht.« Das würde unter dem Strich viel mehr Aufwand bedeuten. Dann doch lieber die gemeinsame Zusammenarbeit und einheitliche Software. Eine für alle.

JOSEPHINE KRÜGER
Co-Projektleiter des Verfahrens StundE
»Ich bin sozusagen die menschliche Schnittstelle zwischen Finanzamt und StundE-Team und erhalte Feedback zum Verfahren. Dieses kommt über ganz unterschiedliche Wege: über täglich eingehende Kundenanfragen im Störungs- portal, zudem gewinnen wir wertvolle Erkenntnisse aus unserer Qualitätssicherung und übertragen diese in Verbesserungen für die Software.«